Nachruf

22. Februar 2018

Hans Bossert-Riedweg

Rohrmatt, Willisau

Unser Papa wurde am 22. September 1926 auf dem elterlichen Hof Hirzmatt im Rohrmatttal als drittes von acht Kindern geboren. Die grosse Familie mit den Eltern Josef und Elisabeth Bossert-Kurmann war nicht auf Rosen gebettet. Die Dreissiger- und Vierzigerjahre waren auch für den Bauernstand eine harte Zeit. Aber trotzdem: Unser Vater und seine Geschwister verbrachten in der Hirzmatt eine schöne, glückliche wenn auch sicher arbeitsreiche Jugendzeit.

Die Schule besuchte er in der Rohrmatt. Papa war ein guter Schüler – ja sogar ein richtiger «Streber». So erzielte er in der siebten und letzten Klasse eine blanke Sechs – im Durchschnitt wohlverstanden.

Die ersten Batzen verdiente sich Papa gleich nach der Schulzeit 1941/42 beim «Törbele» im Ostergau. Damit kaufte er seinen Eltern einen kleinen Radio, etwas damals noch lange nicht alle besassen.

Mit 19 Jahren, im Sommer 1945, absolvierte Dädi die RS bei der Flap in Payerne. Gebracht hat er es im Militär bis zum Gefreiten.

Eine weitere, wichtige Lebensstation war der Mettenberg. Dort fühlte er sich bei Jost und Tante Nina Schwegler-Kurmann trotz strenger Arbeit wohl. Er arbeitet dort nach dem Krieg einige Jahre als Knecht und Melker. Mit seinem Lohn von 140 Franken pro Monat konnte er sich bald ein eigenes Drei-Gang-Velo kaufen.

Auf dem Mettenberg lernte er auch seine zukünftige Ehefrau kennen. Hilda Riedweg vom Hoggen im Menzberg war dort zur selben Zeit als Magd und Köchin angestellt. Sie verdrehte dem «kleinen Knecht» den Kopf. Auf jeden Fall wurde aus dieser jugendlichen Liebe später eine «fruchtbare Beziehung».

Bevor es aber so weit war, waren noch viele Kiltgänge notwendig. Und von diesen erzählte unser Dädi gerne. Ob mit dem Velo auf den Menzberg oder mit seiner alten Lambretta bis nach Einsiedeln, wo seine Herzallerliebste eine Zeit lang in einem Hotel kochte: Die «Schäferstündchen» mussten immer erst verdient sein – vor allem dann, wenn die Lambretta am Steinerberg nachts manchmal den Geist aufgab.

Am 1. April 1956 konnte er von seinen Eltern die Hirzmatt samt Viehhabe und Gerätschaften käuflich erwerben – und bereits im Herbst desselben Jahres durfte er endlich seine Hilda in Mariazell vor den Traualtar führen. Diesem Ehebund wurden elf gesunde Kinder geschenkt. Seine grosse Familie war der ganze Stolz von Papa. Es brauchte ganz bestimmt eine gute Portion Strenge, um die grosse Rasselbande im Griff zu halten. Aber dennoch war er für uns Kinder ein korrekter, herzensguter und liebevoller Vater. Wir hätten uns keinen besseren Dädi wünschen können.

Immer blendend verstand er sich auch mit seinen neun Schwiegertöchtern. Manchmal neckte er diese bis seine Hilda ein wenig eifersüchtig wurde. In solchen Momenten zeigte er seine grosse Lebensfreude – bis ins hohe Alter.

Schon bald konnte er auch die ersten Grosskinder und Urgrosskinder in die Arme schliessen. Schlussendlich waren es 30 Gross- und 4 Urgrosskinder, welche bei Familienfeiern in der Hirzmatt-Stube kaum mehr Platz fanden. Das letzte Urgrosskind «Jan» hatte gerade mal zwei Tage vor Papas Tod das Licht der Welt erblickt.

Viele schöne Stunden durften wir Kinder mit ihm beim Fischen in der Buchwigger verbringen. Am Rande erwähnt werden muss, dass Papa die grössten Forellen fing, noch bevor er das offizielle Patent besass.

Was ihn richtig glücklich und zufrieden machte, war seine geliebte Arbeit – insbesondere diejenige mit den Tieren. Als gelernter Landwirt durfte er während 32 Jahren die kleine, stozige Hirzmatt bewirtschaften. Nach und nach wurden auch Landmaschinen angeschafft – vieles aber blieb Handarbeit. Auch die Hände der elf Kinder wurden gefordert – und das sicher nicht immer ganz freiwillig.

Ein tragisches Ereignis erlebte die junge Familie am 12. Juli 1964, als ein Grossfeuer die ganze Hirzmatt zerstörte. Wohnhaus und Scheune mitsamt Mobiliar und allen Futtervorräten wurde vernichtet. Einzig der Viehbestand konnte gerettet werden. Die Tiere sowie die sechs Kinder mit ihren Eltern und Grosseltern fanden bei lieben Nachbarn Unterschlupf.

Dank der uneigennützigen Solidarität von Nachbarn, Bekannten und Behörden konnte noch im selben Jahr mit dem Neubau von Haus und Scheune begonnen werden. Noch vor Weihnachten 1965 konnte dann die ganze Familie das neue Heim beziehen. Kurz vor dem Einzug ins neue Heim schenkte ihm s'Müeti am 28. Juli 1965 endlich seine lang ersehnte erste Tochter – das nach notabene sechs Burschen.

Seine ganz grosse Leidenschaft war die Musikgesellschaft Rohrmatt, wo er 1940 mit dem Musizieren begann. 1943 wurde er in den Verein aufgenommen und bereits acht Jahre später in den Vorstand gewählt. Diesem gehörte er während 26 Jahren in verschiedenen Chargen an, davon acht Jahre als deren Präsident. Auch in der Feldmusik Willisau-Land war er viele Jahre aktiv als Musikant wie auch im Vorstand dabei. Beide Vereine verliehen ihm die Ehrenmitgliedschaft. Nach über 70 Jahren aktiver Blasmusik gab er am 28. Juli 2011 als 85-Jähriger mit feuchten Augen den Austritt aus der MG Rohrmatt. Er blieb bis zu seinem Lebensende deren Ehrenpräsident.

Obwohl selber kein Sportler, liess Papa sich durch die Aktivitäten seiner kämpfenden Söhne nach und nach vom Ringervirus infizieren. Am Anfang seiner Ringerfan-Karriere hatte er sicher noch nicht das ganze Regelwerk intus. Gleichwohl war er einer der lautesten Fans und immer in den vordersten Reihen zu finden. Seine Sitznachbarn mussten dabei wohl etliche Ellbogen einstecken, so leidenschaftlich kämpfte er jeweils mit dem Ringerclub Willisau Lions mit.

Eine weitere Passion von Papa war die Imkerei – und das zuletzt über 40 Jahre lang. Nach dem Tod seines Vaters Josef im Jahre 1972 wurde ihm diese Aufgabe, nicht ganz freiwillig, übertragen. Schon bald wurde aus dieser Arbeit eine grosse Leidenschaft. Den Königinnen gab er manchmal sogar Namen. Beim Beobachten der fleissigen Tierchen vergass er wiederholt Stumpen rauchend die Zeit in seinem liebevoll eingerichteten Bienenhaus.

Das leidenschaftliche Kartenspielen hat er wohl von seiner Mutter Elisabeth geerbt. Papa war immer für einen herzhaften «Sidi» zu haben. Und diese Gelegenheiten gab es nach den vielen Hundert Musikproben, Feuerwehrproben und Kirchgängen zur Genüge.

Am 11. April 1990, nach exakt 34 Jahren, übergab er den Hof an Sohn Bruno und dessen Ehefrau Maria. Von nun an, mit nunmehr 64 Jahren, nahm er sich Zeit für die ersten längeren Ferien. Mit seiner Hilda und seinem Bruder Xaver und Tante Röösli verbrachte er einige Male Badeurlaub auf den Kanaren.

Als gläubiger Mann war für Papa das tägliche Tischgebet und der sonntägliche Kirchgang eine Selbstverständlichkeit – obwohl die Pünktlichkeit bei den Kirchgängen mit uns Kindern manchmal etwas gar strapaziert wurde – dafür war sein «Kirchenschlaf» jeweils umso erholsamer.

Am 27. Februar 2016 musste er aus gesundheitlichen Gründen die Hirzmatt mit seinem Müeti nach knapp 90 Jahren schweren Herzens verlassen. Ein für alle schmerzlicher, aber unumgänglicher Schritt. Die Kräfte schwanden und die Demenzerkrankung raubte ihm zusehends die Orientierung, die Erinnerung und zuletzt auch noch die Sprache.

Von da an blieben seine geliebten Ruhebänkli beim «Trüeglebode» oder «ennet dem Bach» leer. Dort war er jeweils zu finden gewesen, um sich zu erholen, abzuschalten und einfach ein bisschen der Natur zu lauschen. Auch sein legendäres Liedli «de Channebeerboum», das er früher so oft bei geselligem Zusammensein, selbst in frühen Morgenstunden noch, vorgetragen hatte, müssen jetzt andere zum Besten geben.

Im Heim St. Johann in Hergiswil fanden unsere Eltern ein neues Zuhause und Papa auch liebe- und respektvolle Betreuung bis zum Tod. Von seinem 90. Geburtstagsfest, am 22. September 2016, hatte er nicht mehr viel mitbekommen. Auch die Lust auf das tägliche Glas Wein und die alte Tabakpfeife wurden immer kleiner. Papa wurde von seinem Müeti, vom Pflegepersonal des «St. Johann», von seinen neun Söhnen und besonders seinen beiden Töchtern Monika und Rita immer liebevoll mitbetreut und umsorgt.

Am Sonntag, 29. Januar 2017, erlitt Papa einen Schlaganfall. In den folgenden Tagen, wo er nichts mehr ass und trank, hatten wir Kinder und Grosskinder, Verwandte und Bekannte und insbesondere seine grosse Liebe Hilda viel Zeit, um innig und respektvoll von ihm Abschied zu nehmen.

Am Abend des 8. Februar 2017 hat sein grosses und starkes Herz aufgehört zu schlagen. Umgeben von seiner Familie und den Klängen der Rohrmatt-Musik ist er friedlich eingeschlafen und zu seinem Schöpfer zurückgekehrt.

Papa, wir vermissen Dich wahnsinnig. In unseren Herzen lebst du weiter.

Deine grosse/geliebte Familie