Nachruf

20. September 2018

Annerös Thalmann

Hergiswil/Einsiedeln

Am 8. März 1950, an einem schönen, sonnigen Frühlingstag, wurde Annerös als zweitjüngstes Kind von Josef und Rosa Thalmann-Jenni in der Wassermatt
in Hergiswil am Napf geboren. Mit ihren guten Eltern und mit sechs Geschwistern durfte sie die Freuden und Sorgen einer Kleinbauernfamilie im Luzerner Hinterland erleben.

Als im Herbst 1952 in der Hergiswiler Gemeinde die Kinderlähmung ausbrach, wurde auch die 2½-jährige Annerös von dieser Krankheit betroffen. Fünf Wochen wurde sie im Kantonsspital Luzern hospitalisiert. Im Spital war sie damals der kleine Sonnenschein, weil sie schon so gut singen konnte. Auf den Armen der Schwestern durfte sie den Patienten Lieder singen.

Dank der guten Pflege unserer Mutter waren die Lähmungen an Bein und Rücken bis zur Schulzeit gut geheilt, so dass Annerös problemlos den langen Schulweg bewältigen konnte. Das Singen mit Schwester Ottilie war nicht nur ein Highlight, es war auch anstrengend, besonders durch den steilen Kirchenwald hinauf. Annerös galt als sehr begabte Schülerin.

Die Freude und das Interesse an Fremdsprachen lockte sie nach der Schule ins Welschland in die französische Schweiz und über die Landesgrenze nach England.

Leider hatte Annerös im Leben immer wieder mit Depressionen zu kämpfen. So gab sie schliesslich die Ausbildung zur Lehrerin auf. Sie hat es trotzdem geschafft mit einem Teilpensum an zwei Internatsschulen zu unterrichten. Obwohl Annerös viele gute Feedbacks erhielt, war sie selber nicht zufrieden. Sie wollte im Leben immer 100 Prozent gute Leistungen erbringen. So trat sie vom Schuldienst zurück.

Sie wagte einen neuen Schritt mit der Anstellung als Allrounderin auf dem Übergangsheim Berghof in St. Urban. Mit viel Mut und Vertrauen ist ihr die Umstellung geglückt. Annerös war ein richtiges Naturtalent im Umgang mit den psychisch kranken Heimbewohnern, welche ein Bestandteil ihrer täglichen Aufgabe waren. Sie begegnete ihnen mit Respekt, Toleranz und Liebe und verstand es besonders gut diese Menschen bei der Arbeit zu integrieren. Im Angestelltenteam hat Annerös mit ihrem guten Vorbild eine sehr positive Rolle gespielt. 

Annerös stellte ihr Leben ganz in den Dienst der Mitmenschen. Es war für sie selbstverständlich, dass sie ihre Freizeit ihren alternden Eltern widmete. Sie besuchte mit ihnen kirchliche Feiern und machte mit ihnen Ausfahrten und Besuche. 

Annerös war die Liebe selbst. Sie war ein fürsorgliches Gotti und Tanti wie im Bilderbuch. Sie beschenkte die Jungen nicht nur an Festtagen, sie begleitete sie auch mit Wohlwollen auf ihrem Weg. Annerös interessierte sich für ihr Leben, die Schule, Ausbildung und Familie. Gerne nahm sie auch Stellung zu Lebensfragen, wo sie ihre Verantwortung und Weltoffenheit unter Beweis stellen konnte. Auch all unseren Familien und hilfsbedürftigen Menschen war sie mit grosser Liebe zugetan. So hatte sie stets ein offenes Ohr für die Anliegen, Freuden und Sorgen Anderer. 

Nach drei Jahren im Jahr 1979 suchte Annerös eine neue Herausforderung. Als Pflegerin lebte sie bei einer Familie in Einsiedeln. Nebst der Pflege und Betreuung einer an MS erkrankten Frau und eines schwer behinderten Kindes war sie auch für den Haushalt der Familie zuständig. Zusammen teilten sie Freud und Leid. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wer hätte gedacht, dass diese Stelle für Annerös während 30 Jahren zur eigentlichen Lebensaufgabe wurde?

Einsiedeln wurde für Annerös zur zweiten Heimat. Sie durfte viele liebe Menschen kennen- und schätzenlernen und viele Freundschaften knüpfen. Mit Begeisterung war sie dem Kirchenchor Einsiedeln mit ihrer sicheren Stimme eine kraftvolle Unterstützung. Das war Balsam für ihre Seele.

Bald wurde Annerös mit der Diagnose Parkinson konfrontiert. Das war für sie nicht immer einfach. Ihr grösster Wunsch war, die Familie nicht im Stich zu lassen. Sie begleitete und pflegte die Familie, bis die Familienmitglieder nach und nach vom Schöpfer heimgeholt wurden.

Annerös freute sich darauf eine eigene Wohnung einzurichten und zu geniessen. In dieser Zeit durfte sie noch mit uns Geschwistern und Familien ihren 60. Geburtstag feiern.

Doch bald darauf verschlimmerte sich ihr Gesundheitszustand. Es folgten Spital-, Klinik- und Reha-Aufenthalte, bis sie schliesslich im Pflegeheim Frohsinn in Oberarth Aufnahme fand. Seit bald sieben Jahren war es ein Geschenk für Annerös und für uns, dass sie im Pflegeheim Frohsinn in Oberarth sehr gut und liebevoll betreut und gepflegt wurde. Sie hat mehrmals erwähnt, dass das Heim den Namen Frohsinn verdiene.

Auf diesem letzten schweren Wegstück von Annerös versuchten viele treue Menschen und unsere Familien mit Besuchen und Aufmerksamkeiten, etwas Abwechslung und Freude ins Krankenzimmer zu bringen. Immer kam beim Abschied ein Danke über ihre Lippen, auch wenn sie kaum noch Kraft zum Sprechen hatte.

Am frühen Morgen vom 21. August 2018 hat der liebe Gott Annerös beim Namen gerufen für die Reise ins ewige Leben. 

Bhüet die Gott, liebi Annerös.         

Deine Geschwister