Nachruf

14. November 2019

Anna Schmidlin-Steiner

Menzberg

Anna wurde im Sommer 1936 in Pfäffikon SZ als ältestes von 5 Kindern geboren. Wirtschaftlich waren dies schwierige Zeiten und alles andere als rosig. Trotzdem verbrachte Anna mit ihren Geschwistern eine glückliche Kindheit. Sie sorgte schon früh liebend und fürsorglich für sie und packte auch auf dem kl. Hof immer mit an, um ihre Eltern zu entlasten. Das offenbarte bereits zu dieser Zeit wesentliche Charakterzüge von Anna, welche sich wie ein roter Faden durch ihr ganzes Leben hinzog.


Nach der Sekundarschule in Freienbach SZ traf Anna die Entscheidung, eine Servicefachlehre zu absolvieren und dabei Französisch zu lernen. Sie entschied sich für das Hotel du Boeuf in Reconvillier im Berner Jura, wo sie 2 Jahre lang blieb. Nach erfolgreichem Lehrabschluss und mit perfekten Französischkenntnissen führte sie ihr Weg weiter ins Tessin nach Locarno ins Hotel Zürcherhof um sich weiterzubilden und vor allem auch um Italienisch zu lernen. Dank ihrer inzwischen grossen Sprach- und Fachkenntnissen konnte Anna eine interessante Wintersaisonstelle im berühmten Hotel Eiger in Wengen antreten und viele internationale Gäste bedienen. Eine weitere Station war das weisse Rössli in Schwyz wo sie ihre gute Freundin Annemarie Gwerder kennenlernte. Zusammen beschlossen die beiden Frauen nach Huddersfield im Norden Englands bei einer gutbetuchten Familie in den Dienst zu treten. Nach einem Jahr kehrten die beiden auf dem Kontinent zurück und  zogen  in die Bündner Berge nach Davos. Was folgte könnte einem Kinofilm entstammen: ein fescher talentierter junger Koch und eine hübsche junge Frau trafen sich im Winterzauber von Davos und verliebten sich ineinander. Anna traf die Liebe ihres Lebens: Alois Schmidlin.


Am 7. November 1957 heirateten die beiden in der Pfarrkirche Menzberg und übernahmen bald darauf den elterlichen Betrieb. Ein Jahr später wurde ihr Glück mit der Geburt der Tochter Anita vollkommen.


Wenige glückliche Jahre waren der jungen Familie beschieden. Schon bald wurde bei Ali Multiple Sklerose diagnostiziert. Diese Krankheit überschattete in der folgenden Zeit ihr Leben. Anna kümmerte sich liebevoll um ihren Mann und leitete gleichzeitig die Geschicke des Kurhausbetriebs. Ihre Mutter Anna schickte zur Unterstützung die jüngste Schwester Lisbeth auf den Menzberg, um ihr beizustehen und zu helfen. Als Ali nach 10 leidvollen Jahren von seiner Krankheit erlöst wurde, führte das dynamische Schwesternduo das Kurhaus allein weiter und es wurde dank ihrem grossen Engagement zu einem weitherum beliebten Ausflugsziel. Wenig später stand Anna auch ihren Schwiegereltern auf ihrem letzten Lebensabschnitt bei. Allen Widrigkeiten zum Trotz war Anna immer die geborene Gastgeberin. Ihrem wachsamen Auge entging nichts, ihre Ausdauer, ihre vornehme Zurückhaltung, ihre Diskretion, ihre Toleranz, ihre Ruhe und insbesondere ihre Grosszügigkeit waren einzigartig.


Zeugnis davon trägt ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Christian Rentsch, der über die grossen Tage des Willisauer Jazzfestivals Folgendes schrieb:
«Und einige dieser intellektuellen Eliten der Schweiz residierten Jahr für Jahr in Menzberg im ehemaligen Kurhaus, das heute nach etlichen Renovationen zu einem Seminarhotel geworden ist. Legendär waren damals vor allem die Sonntagmorgen-Frühstücksgelage im Kurhaus mit selbstgebackenen Butterzöpfen, selbsteingemachten Konfitüren und dem berühmten Birchermüesli von Frau Schmidlin, von denen Dichter und Denker dann im wahrhaft fliessenden Übergang zum Weisswein übergingen. Dass sie deswegen manchmal das erste und manchmal das zweite Konzert verpassten, wollen wir hier unter dem Stichwort künstlerische Freiheit abbuchen. Immerhin auf dem Menzberg versammelte sich damals während des Jazzfestivals sehr viel intellektuelle Kapazität. Und dies nicht zuletzt dank der sanften Frau Schmidlin die über die Vorlieben und Eigenheiten so vieler Gäste bestens Bescheid wusste.»


Ein weiteres Kapitel begann 1983, als die Tochter Anita mit ihrem Mann Rolf Peter das Schwesternduo entlastete und mit in den Betrieb einstieg. Die Geburt der drei Grosskinder Mathias, Christine und Alain brachte viel Freude und Abwechslung in das Leben der beiden Frauen. Anna wurde als Grossmami fortan nur noch Nana genannt von den Grosskindern. Das beste Grossmami, das sich die drei nur wünschen konnten. Liebevoll, fürsorglich und immer ein offenes Ohr für jedes Anliegen und Problem. Es war eine sehr glückliche Zeit mit vielen schönen Erinnerungen, die wir alle an einem besonderen Platz in unseren Herzen tragen.


Leider wurde dieser schöne Lebensabschnitt von einem weiteren schlimmen Schicksalsschlag getrübt: die unheilbare Krebserkrankung von Lisbeth. Ein weiteres Mal kümmerte sich, umsorgte und pflegte Anna einen geliebten Menschen bis zum Ende. In dieser schweren Zeit spendete ihr die Familie und auch vor allem die Kurhausfamilie  mit der langjährigen Weggefährtin Mäite viel Kraft und Trost.


Nach 61 langen glücklichen und bewegten Jahren auf dem Menzberg, wechselte Anna im Sommer 2018 nach Menznau ins Pflege- und Altersheim Weiermatte. Die zunehmenden Altersbeschwerden zwangen sie zu diesem Schritt. In der Weiermatte wurde sie liebevoll gepflegt und begleitet, bis sie in den frühen Morgenstunden des 15. November 2018 für immer einschlafen durfte.


Mit Anna ging ein Mensch von uns, der Ausserordentliches geleistet hat, und uns allen als leuchtendes Vorbild vor Augen bleibt. Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Zufriedenheit und Gerechtigkeit und Demut hat sie in Person verkörpert. Ihre Lebenseinstellung, die auf diese Werte und einem tiefen Glauben gründeten, gaben ihr die Kraft jedes Hindernis zu meistern und bescherte ihr den Respekt und die Liebe von unglaublich vielen Menschen. Nana, du wirst uns immer an das Wesentliche im Leben erinnern und in unseren Herzen weiterleben.

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