Nachruf

27. Mai 2022

Alice Wüthrich-Steffen

Alice Wüthrich-Steffen
Gettnau

Alice Wüthrich, Wirtin vom Restaurant Bahnhof in Gettnau. Dieser Name stand über Jahrzehnte hinweg für eine ausgezeichnete, gutbürgerliche Küche, für hervorragend zubereitete Gerichte, für Gastfreundschaft, Behaglichkeit, Gemütlichkeit und Wärme. Weit über die Gemeindegrenze hinaus war das «Bahnhöfli» für seine Gastlichkeit bekannt und daher auch ein beliebter Treffpunkt für Gäste aus der nahen und weiteren Umgebung.  

Die Geburt von Alice Wüthrich, am 18. Dezember 1934, war für ihre Eltern ein Freudentag, war und blieb sie doch das einzige Kind von Johann und Bertha Steffen-Steinmann, die bereits als Wirtepaar das «Bahnhöfli» führten. Für die kleine Alice war daher schon in jungen Jahren klar, dass sie zu gegebener Zeit das Restaurant übernehmen und anstelle ihrer Eltern weiterführen würde. Das Rüstzeug für ihre Zukunft als Wirtin holte sie sich nach der obligaten Schulzeit im ehemaligen Mädcheninstitut in Melchtal.

So trat Alice bereits in jungen Jahren in die Fussstapfen ihrer Eltern, um fortan als Wirtin im «Bahnhöfli» tätig zu sein. Und ihre Arbeit als Hausherrin im Restaurant Bahnhof war für sie eine wahre Berufung. Das Wirten lag ihr im Blut und eine zuvorkommende, freundliche Bewirtung der Gäste war für sie eine Selbstverständlichkeit. Und es erfüllte sie mit berechtigtem Stolz, wenn die Gäste ihre wunderbaren Gerichte, die sie in der Restaurantküche persönlich zubereite, offensichtlich genossen. Ihr Ruf als Wirtin war in jeder Beziehung beinahe legendär, schätzten doch die Restaurantbesucher nicht nur ihre Kochkünste, sondern auch ihr umgängliches und liebenswertes Wesen. Dieses wurde jedoch von den Gästen oftmals mehr als nur strapaziert. War die Sperrstunde bereits überschritten und machten die Stammgäste noch nicht die geringsten Anstalten, sich von ihren Stühlen zu erheben, griff Alice oft zu ganz unkonventionellen Mitteln, um endlich die Wirtshaustüre hinter dem letzten «Überhöckeler» schliessen zu können. Ihr Ausspruch zu später Stunde, «so chömed jetz, es esch Fürobe», kannte wohl jeder Stammgast. Doch diese Aufforderung zeigte in den meisten Fällen keine Wirkung. So nahm Alice auf unmissverständliche Art den Besen zur Hand, öffnete sämtliche Fenster in der Gaststube, bis es auch dem letzten Gast zu kalt und zu ungemütlich wurde in dem ansonsten so gemütlichen Lokal.

Ein entscheidender Abschnitt auf ihrem Lebensweg bildete im Jahre 1955 die Heirat mit Julius Wüthrich. Doch das junge Glück war nur von kurzer Dauer. Ihr Gatte verstarb bereits ein Jahr später einer unheilbaren Krankheit. Erschwerend zu diesem Schicksalsschlag kam hinzu, dass Alice ihr erstes Kind erwartete, das seinen Vater niemals kennenlernen würde. Die Geburt ihrer Tochter Julia vermochte sie etwas über den Verlust ihres Gatten zu trösten und die langsam aufkeimende Liebe zu ihrem Schwager Werner halfen ihr vollends, sich im Leben wieder zurechtzufinden. Diese Liebe besiegelten sie im Jahre 1959 mit dem Heiratsversprechen. Drei weiteren Kindern, Werner, Hanspeter und Pia, schenkte Alice in den folgenden Jahren das Leben. Doch erneut schlug das Schicksal unbarmherzig zu, kam doch ihr kleiner Sohn Hanspeter durch einen tragischen Verkehrsunfall ums Leben.

Geprägt von Arbeit und von Aufopfe­rung für ihre Gäste, die ihr allesamt sehr ans Herz gewachsen waren, vergingen die folgenden Jahre, bis Alice im Jahr 1991 erneut durch den Tod von Werner zur Witwe wurde. Einschneidend in ihrem Leben war auch die Krebs­erkrankung ihrer Tochter Julia, die im Jahr 2013 ihrem Krebsleiden erlag.

Doch trotzt all diesen Schicksalsschlägen verlor Alice nie ihren Lebensmut, ihre Gelassenheit und ihr frohes Gemüt. Sie liebte es, in geselliger Runde ein ausgelassenes Fest zu feiern und sich besonders in der fünften Jahreszeit dem fasnächtlichen Treiben hinzugeben. Weniger Freude bereiteten ihr jedoch die Konfettis, die sie kiloweise nach jedem Anlass im «Bahnhöfli» in mühevoller Kleinarbeit wieder aus allen Ecken zusammenfegen musste. Dabei konnte sie schimpfen wie ein Rohrspatz, um im nächsten Moment wieder mit einem herzhaften Lachen über die vergnüglichen Ereignisse der vergangenen Nacht zu berichten. Ein offenes Ohr hatte sie auch immer für die Vereine, deren Mitglieder zu ihren treuen Gästen zählten. Als Dank für ihre stetige Unterstützung verlieh ihr die Musikgesellschaft die Ehrenmitgliedschaft und sie wurde auch stolze Fahnenpatin dieses Vereins. Anfang der Neunzigerjahre übernahm Tochter Julia das Restaurant Bahnhof und Alice bezog gemeinsam mit ihrem Sohn Werner eine Wohnung. Zwar fehlten ihr die regen Kontakte zu ihren Gästen. Doch sie wusste auch dem Ruhestand viel Gutes abzugewinnen. So verflog die Zeit und allmählich machten sich bei Alice gesundheitliche Beschwerden bemerkbar. Ein Verbleib in den eigenen vier Wänden war ihr daher nicht mehr vergönnt und der Eintritt in die «Waldruh» in Willisau wurde unumgänglich. Das war ein äusserst schwieriger Schritt für sie. Doch sie fühlte sich bald einmal sehr wohl in ihrem neuen Daheim, in dem sie ihre letzten Lebensjahre verbrachte, bestens betreut und liebevoll umsorgt vom Pflegepersonal, das die ehemalige «Bahnhöfli»-Wirtin gerne verwöhnte.

Die gesundheitlichen Beschwerden wurden jedoch immer stärker und es nahte der Tag, an dem sich Alice für immer von dieser Welt verabschieden würde. Am Donnerstag, 31. März 2022, war es dann so weit. Sanft und ruhig durfte sie einschlafen, und ein letztes, friedvolles Lächeln auf ihren Lippen liess erahnen, dass sie mit sich und der Welt im Reinen zu ihrem Schöpfer zurückgekehrt ist. Auf dieser irdischen Welt wird sie hingegen schmerzlich vermisst von ihren Kindern und ihren drei Grosskindern, und nicht zuletzt von ihren treuen Weggefährten, die über viele Jahre hinweg ihre Gastfreundschaft geniessen durften. Ihnen allen werden die treusorgenden Hände von Alice fehlen. Ihre Grossherzigkeit, ihre ansteckende Lebensfreude und ihr umgängliches Wesen werden sie jedoch in dankbarer Erinnerung behalten. Möge sie ruhen in Frieden.

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