Nachruf

20. November 2017

Blanka Steinmann-Eiholzer

St. Urban

Unsere Mutter wurde am 23. November 1924 auf dem Hof Sonnhalde in Menznau geboren. Sie war das Jüngste von fünf Kindern. Als sie neun war, starben nacheinander ihre Mutter und eine ältere Schwester an den Folgen von Tuberkulose. Mutter lebte danach mit ihrem Vater und der Familie ihres Bruders Lorenz auf dem Hof. Sie war eine gute Schülerin und besuchte zwei Jahre die Sekundarschule. Danach hätte sie gerne Krankenschwester gelernt. Doch es war Krieg und so begann sie als Haushaltshilfe und Köchin zu arbeiten – überall, wo ihre Hilfe gefragt war. Dazwischen besuchte sie eine Haushaltungsschule. Gegen Ende des Krieges nahm sie auch Stellen in der Ostschweiz an.

Anfang der Fünfzigerjahre lernte sie Albert Steinmann kennen. Er arbeitete als «Meisterknecht» im damaligen «Bürgerheim Murhof» in St. Urban. Als er von seinem Vorgänger Georg Huber 1955 die Betriebsleitung übernehmen konnte, heirateten unsere Eltern und zogen in das kleine Zweifamilienhaus, das die Gemeinde für sie hatte bauen lassen. Die Hochzeitsreise ging für ein paar Tage nach St. Moritz. Als Kinder haben wir gerne die Fotos davon betrachtet, die Mutter als strahlende junge Frau zeigen. 

Nicht ganz ein Jahr nach der Hochzeit wurde ihre erste Tochter Blanca geboren, danach folgten Rita, Irene, Albert, Pius und Peter. Sechs Kinder in neun Jahren – da war so viel Arbeit, wie man es sich heute kaum vorstellen kann. Die ganze Wäsche musste sie am Anfang noch von Hand machen. Dazu kam der grosse Garten. Über die Arbeit hat Mutter selten geklagt – aber natürlich kam sie manchmal an ihre Grenzen, als wir klein waren. Feste im Jahreslauf waren Mutter immer wichtig – dafür backte sie gerne und gut. Auch unter dem Jahr machte sie manchmal Birewegge oder Läbchueche und verschenkte einen Teil davon: Eine Erinnerung an ihre Kindheit, als es diese Köstlichkeiten nur an Weihnachten und Neujahr gab. 

Als es um unsere Berufswahl ging, machte Mutter ihr Versprechen, «ich konnte keinen Beruf lernen, aber meine Kinder dürfen lernen, was sie wollen», wahr. Alle haben nacheinander einen Beruf erlernt, ihn ausgeübt, sich weitergebildet. Und alle haben Mutters Arbeitshaltung ein Stück weit übernommen: Wenn man etwas tut, dann macht man es gut organisiert und sorgfältig – und ohne zu klagen.

Als die Arbeit für Söhne und Töchter allmählich weniger wurde, weil die Ersten auszogen, übernahm Mutter die Buchhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs und nahm Lehrlinge ins Haus auf. Sie sang wieder im Kirchenchor, wo sie bis vor wenigen Jahren aktiv war. Genauso wichtig wie das Singen waren ihr dabei die Kontakte und Freundschaften, die sich mit andern Chormitgliedern ergaben. Nachdem Vater die Betriebsleitung des Murhofs aufgegeben hatte, zogen die Eltern in das Haus an der Klinikmauer und Mutter begann in der Küche des Alters- und Pflegeheims Murhof zu arbeiten, bis sie pensioniert wurde.

Danach genoss sie mit Vater ihre Zeit als Pensionierte: Dreimal flogen sie zum ältesten Sohn Albert, der in Kanada lebt, und machten mit den «Senioren» unzählige Wanderungen und Ausflüge. Und natürlich freuten sie sich immer sehr über die Besuche ihrer Kinder und dreizehn Enkel. Endlich fand Mutter auch wieder Zeit zum Lesen.

Als Vater vor zehn Jahren an den Folgen einer Hirnblutung starb, fand sie die Kraft und den Mut, alleine weiterzuleben. Neun Jahre lang führte sie weiter den Haushalt, pflegte ihre Freundschaften und bekochte uns bei Besuchen. Ihr Radius wurde kleiner, der Rücken machte ihr beim Gehen zu schaffen. Aber sie war dank der Zeitungen noch immer gut informiert über den Lauf der Welt und der Region und kaufte fast jeden Tag in der Bäckerei ein. Und sie freute sich sehr über die sechs Urenkelinnen und -enkel.

Als Mutter vor zwei Jahren im Alltag immer mehr Hilfe brauchte, zog sie in ein Zimmer im Altersheim Murhof, wo sie gut umsorgt wurde. Sie zeigte weiterhin grosses Interesse an allem, was wir unternahmen. Diesen Sommer aber wurde sie deutlich schwächer und mochte schliesslich nicht mehr aufstehen. Am 13. September, ihrem Hochzeitstag, schlief sie friedlich ein. 

«De hetts Urgrossmueti eigentlich ou mech gebore», meinte die älteste Urenkelin, als sie durch diesen Lebenslauf die Generationenfolge begriff. Das ist uns Trost im Abschied: Ein langes, reiches Leben ging zu Ende – doch ­Blanka Steinmann-Eiholzer lebt weiter, in uns allen.